44-Kanonen-Schiff*
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- Kategorie: Schiffstypen
- Veröffentlicht: Sonntag, 22. August 2010 11:25
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(engl: 44 Gun Ship)
Das bekannteste Schiff dieser Klasse war sicherlich jene SERAPIS, die im berühmten Gefecht bei Flamborough Head im September 1779 der BONHOMME RICHARD John Paul Jones' unterlag. Obwohl diese Fahrzeuge insgesamt nur eine kleine, nicht sehr erfolgreiche Abirrung in der Entwicklung der Kriegsschiffe waren, spielten sie eine nicht unwichtige Rolle im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.
Zwischen 1773 und 1786 wurden achtundzwanzig 44-Kanonen-Zweidecker gebaut. Zu einer Zeit, da sich die Fregatten (siehe dort) mir einem einzelnen Batteriedeck längst durchgesetzt hatten, waren diese Fahrzeuge ein britischer Anachronismus, der in den Flotten anderer Nationen keine Entsprechung hatte.
Das 44-Kanonen-Schiff als schwerer Kreuzer
Wie auch einige experimentelle Bauten von 50-Kanonen-Schiffen beweisen, hofften die Briten zu dieser Zeit immer noch , kleine Zweidecker zu effektiven "Kreuzern" weiterentwickeln zu können; diese Auffassung wird dadurch unterstrichen, daß man auch 50er zu dieser Zeit als "Fregatten" bezeichnete. Die Funktion als Kreuzer war bei den 44ern noch deutlicher als bei den 50ern; während einige der letzeren trotz ihrer allgemein anerkannten Ineffizenz bei einigen Gelegenheiten noch an regelrechten Flottengefechten in der Schlachtlinie teilnahmen, waren die 44er nie für diese Rolle gedacht. Sie befanden sich im Gegensatz zu den 50ern, die Ende des 18. Jhdts in einer Zwitterstellung zwischen den echten Linienschiffen und den Kreuzern als "4th rates" klassifiziert waren, zusammen mit den Eindeck-Fregatten im 5. Rang, der nur eindeutige Kreuzer umfaßte. In den 1770er Jahren waren die 44er mit je einer 18- und 9-pfündigen Batterie den Eindeck-Fregatten, deren Hauptbatterien bestenfalls aus 12-Pfündern bestanden, an Feuerkraft theoretisch weit überlegen. Erst im November 1778 wurde in Großbritannien die erste Fregatte mit einer 18-Pfünder-Batterie bestellt; insgesamt wurden aber im Unabhängigkeitskrieg nur etwa ein halbes Dutzend davon bestellt und gebaut. Die eigentliche Zeit der britischen schweren Fregatten brach erst in den Revolutionskriegen ab 1793 an, womit den 44ern zunächst die Rolle als "schwere Kreuzer" blieben. Die Eindeck- Fregatten besaßen die unbestreitbaren Vorteile besserer Segeleigenschaften und eines höheren Freibords gegenüber dem relativ hohen und kurzen kleinen Zweidecker.
Die Vor- und Nachteile des Typs
Die wesentlichen Gründe, den kleinsten Zweidecker als Weiterentwicklung der älteren, schwächer bewaffneten 40er mit einem recht großen Bauprogramm wiederzubeleben, lagen in den besonderen Umständen des nordamerikanischen Kriegsschauplatzes: Die Schiffe boten viel Platz als relativ schnelle Truppentransporter (im Vergleich zu den sonst für diesen Zweck gecharterten Handelsschiffen) und besaßen eine geringen Tiefgang als größere Zweidecker. Das prädestinierte sie für Operationen in Küstennähe, wo sie dann im Bedarfsfall ihre nicht unerhebliche Feuerkraft zum Tragen bringen konnten. Für mögliche amphibische Unternehmungen waren die großen Besatzungen der 44er vorteilhaft, die logistische Aufgaben größeren Ausmaßes bewältigen konnten.
Ein Problem der 44er, wie aller Zwei- oder Dreidecker, die bei minimaler Länge ein Maximum an Geschützen tragen sollten, war die verhältnismäßig große Höhe ihrer Bordwand. Wegen der durch die menschliche Körpergröße festgelegten Mindesthöhe von Batteriedecks war die Bordwand eines 44ers oder 50ers nicht wesentlich niedriger als die enes 74ers, aber die kleineren Schiffe hatten viel weniger Tiefgang und waren bedeutend kürzer, so daß ihre Abdrift und ihre allgemeinen Segeleigenschaften schlecht waren - sowohl im Vergleich mit größeren Zweideckern als auch mit den Eindeck-Fregatten. Ein weiterer schwerer Mangel war die dichte Lage der Unterdeckspforten über dem Wasserspiegel. Dies führte dazu, daß 44er in schwererem Seegang die unteren Stückpforten nicht öffnen und gerade die stärkere Batterie nicht gebrauchen konnten, während die Fregatten mit ihrem besonders hohen Freibord nicht eingeschränkt waren. Die theoretische Überlegenheit des 44ers gegenüber einer gewöhnlichen 12-Pfünder-Fregatte war in solchen Umständen hinfällig.
Spezifikationen und Schicksal der 44er
Im Zeitraum des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges wurden 20 Schiffe der ROEBUCK-Klasse gebaut, die Sir Thomas Slade bereits 1769 entworfen hatte. Roebuck lief 1773 vom Stapel, der Rest wurde erst ab 1776, nach Ausbruch des Krieges, bestellt und lief ab 1778 vom Stapel.
Noch 1782, nachdem sich die Nachteile der 44er sicher schon deutlich gezeigt hatten, gab es einen weiteren Entwurf von Edward Hunt. Die Schiffe der ADVENTURE-Klasse wurden im Vergleich zu ihren Vorgängern nur geringfügig vergrößert und kamen auf 896 54/94 tons. 8 Schiffe wurden noch im Krieg bestellt und liefen 1784-87 vom Stapel.
Im Unabhängigkeitskriege gingen 4 der 44er in Gefechten verloren. SERAPIS unterlag zwar der BOHNOMME RICHARD im Gefecht beim Flamborough Head, aber der ihr anvertraute Konvoi konnte unbehelligt entkommen, was die Briten als Erfolg werteten. ROMULUS mußte sich im Februar 1781 in der Chesapeake-Bucht einem überlegenen französischen Geschwader ergeben, und CHARON verbrannte im Oktober 1781 bei Yorktown, nachdem das Schiff von amerikanischen Batterien in Brand mit glühenden Kugeln beschossen worden war. ARGO lieferte sich im Februar 1783 mit zwei französischen Fregatten ein mehrstündiges Gefecht bei schlechtem Wetter, so daß die Unterbatterie nicht benutzt werden konnte. ARGO mußte sich ergeben, wurde aber drei Monate später zurückerobert und erfreute sich noch einer langen Dienstzeit in der Royal Navy.
Nach dem Unabhängigkeitskrieg verschwanden die 44er noch eher als die ebenfalls obsoleten 50er, die aus ähnlichen Gründen eine kurze Renaissance erfahren hatten, als echte Kriegsschiffe von der Bildfläche. Zwar erlebten einzelne Schiffe Kampfeinsätze, die typischen Rollen für diese Fahrzeuge waren aber Truppentransport, schwimmendes Lazarett oder Vorratsschiffe. Für die letztgenannten Funktionen besaßen die Schiffe eine oft stark reduzierte Bewaffnung. Einige Schiffe, die länger als regelrechte Kriegsschiffe verwendet wurde, erhielten eine auf hauptsächlich aus Carronaden bestehende Bewaffnung. Carronaden waren auf 44ern übrigens bereits im Unabhängigkeitskrieg als Bewaffnung des im ursprünglichen Entwurf nicht bestückten Achterdecks erschienen.
Von den zehn 44ern, welche die napoleonischen Kriege überlebt hatten, wurden acht in den Jahren 1815-17 verkauft oder abgewrackt. Einer, SERAPIS (ii) überlebte bis 1826 als Gefangenenhospital auf Bermuda, EXPERIMENT war 1817-1834 Lazarett in Liverpool und wurde erst 1836 verkauft.
Daten (ROEBUCK-Klasse):
Länge: 140'.
Breite: 37' 9 1/2''
Tons: 879 20/94
Bewaffnung: Unteres Batteriedeck: 20*18pfünder, Oberes Batteriedeck: 22* 9pfünder, Back: 2*6pfünder
Besatzung: 3oo Mann.