Napoleonic Naval Armaments 1792-1815
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- Kategorie: Schiffbau & Ausrüstung
- Veröffentlicht: Freitag, 15. Oktober 2010 12:48
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Titel: Napoleonic Naval Armaments 1792-1815
Autor: Chris Henry/ Brian Delf
Verlag: Osprey Publishing, New Vanguard Nr. 90
ISBN: 1841766356
Umfang: 48 Seiten
Über die Schiffsartillerie der Kriege von 1792-1815 scheint es keine kompakte Darstellung in einem einzelnen Band zu geben. Das vorliegende Heft könnte also eine sinnvolle Wahl für Leser sein, die sich einen Überblick über diesen Zeitraum von knapp 20 Jahren verschaffen möchten.
Daß es aber angesichts der Komplexität der Materie nicht unproblematisch ist, die Schiffsartillerie der Zeit in einem Bändchen von gerade 48 Seiten vorzustellen, ist nicht erstaunlich. Im vorliegenden Titel ist diese Darstellung nur teilweise geglückt, obwohl es leicht möglich gewesen, ein besseres Ergebnis zu erzielen.
Zwar läßt der Titel auch andere Annahmen zu, doch der Schwerpunkt der Darstellung liegt eindeutig auf der britischen Schiffsartillerie, während der französischen nur etwas mehr als zwei und der spanischen knapp eine Seite (plus Abbildungen) gewidmet werden. Der Klappentext, der die Betrachtung der britischen, spanischen, französischen, niederländischen, skandinavischen und amerikanischen Schiffsartillerie verspricht, übertreibt sehr stark - diese Marinen werden bestenfalls am Rande erwähnt.
Zunächst ist zu bemerken, daß einige Bilder verwechselt worden sind. Zur Bildunterschrift auf S. 3 gehört das Foto von S. 11 unten (32 pdr carronade). Das Foto von S. 3 gehört auf S. 5 unten (swivel gun), das Bild von S. 5 unten auf S. 7 unten (early carronade) und das Foto auf Seite 7 unten gehört auf S. 11 unten (Blomefield gun).
Genaugenommen ist der Titel "Napoleonic Naval Armaments 1792-1815" nicht ganz korrekt, denn auch wenn man sich darüber streiten kann, ob die "napoleonischen Kriege" 1799 oder erst 1803 begannen, so sollte man die Auseinandersetzungen zwischen dem eigentlich revolutionären Frankreich und den europäischen Mächten nicht "napoleonisch" nennen, weil General Bonaparte erst im November 1799 politische Macht erlangte.
Die knappe, aus wenigen Sätzen bestehende Einleitung des Buchs ist derart allgemein gehalten, daß sie wenig zur Charakterisierung der Epoche beiträgt. Die anschließende Vorstellung des britischen Geschützmaterials von den Armstrong- über die Blomefield-Muster der Kanonen, die Carronaden (mit Plänen verschiedener Lafettierungen) bis hin zu Leichtkanonen von Congreve, Sadler und Gover sind gut gelungen. Henry bringt immer wieder interessante Details, die auch routinierteren Lesern marinegeschichtlicher Werke unbekannt sein dürften, obwohl z.B. die Einlassungen zum Rikochettieren von Kugeln im Seegefecht reichlich theoretischer Natur sind und angesichts ihrer Bedeutungslosigkeit für die Praxis vor allem wertvollen Platz rauben. Dies tun sie ausgerechnet im Abschnitt über "Tactical Doctrine", der seinen Titel eigentlich nicht verdient, weil außer der Erwähnung der Kiellinie und des "Beharkens" der Schiffsenden keine taktischen Grundprinzipien erläutert werden, wenn man übliche Feuerdistanzen und das Rikochettieren außen vor läßt. Zahlreiche Tabellen im Heft bieten einen Überblick über die technischen Daten der Geschütze wie Gewichte und Reichweiten, nützlich ist z.B. auch ein Vergleich von Kanonen- und Carronadenkaliberbohrungen gleichen Kugelgewichts. "Drill and Organisation" sowie "Tools and Equipment" werden kurz und gut abgearbeitet und sind angesichts der Zwänge des Serienkonzepts sicherlich ausreichend.
Die maritimen "Howitzers" sind ein originelles Thema, aber der Abschnitt im Heft könnte mehr Verwirrung als Aufklärung bewirken. Es ist vor allem von den Haubitzen der Skandinavier die Rede, und so wird ein Gefecht geschildert, in welchem dänische Kanonenboote englische Schiffe zur Kapitulation zwangen, und zwar nach Beschuß u.a. mit Granaten. Schwierig ist hierbei die Frage, ob die Dänen diese nicht doch mit leichten Mörsern verschossen - denn die gängigen Haubitzen, die Henry hier erwähnt, besaßen lediglich ein Kaliber von 3.4 in. Entsprechende Granaten wären also erstaunlich kleinkalibrig gewesen. Schon kleinere Handgranaten besaßen einen Durchmesser von mehr als 4 in. Zeitgenossen beschreiben die Chapmanschen Haubitzen (auf die sich Henry auch bezieht) als schwere Drehbassen und demnach eher zum Verschießen von Rundkugeln und Kartätschen geeignet. Hingegen glich der englische ( nur selten bei Marinefahrzeugen anzutreffende) Howitzer tatsächlich sehr einem Landgeschütz, besaß ein Kaliber von immerhin 10in und war tatsächlich zum Verschießen von Granaten geeignet. Daß nicht alles eine Haubitze im engeren Sinne war, was so bezeichnet wurde, wird am Beispiel der französischen Obusiers (= "Haubitzen") deutlich, welche bei den Franzosen aber die Funktion von Carronaden erfüllten, obwohl man anfänglich tatsächlich auch Granaten zu verschießen beabsichtigte.
Im Zusammenhang mit den Haubitzen werden zwar auch englische Mörser erwähnt, es gibt aber keine Zeichnung davon, und die speziellen Mörserschiffe, welche die 13-in Mörser trugen, werden nicht erwähnt. Genannt wird noch eine von Congreve entwickelte, nicht eingesetzte 10-in Haubitze, aber nicht der Mörser von 8-in, der gelegentlich auf Kanonenbriggs eingebaut wurde. Das Bild vom Einsatz der Granaten auf See bleibt verschwommen.
Als weitere exotische Waffen werden noch knapp die Congreveschen Raketen behandelt. Das Boot auf der dazugehörigen Farbtafel weicht insofern von der (ebenfalls abgedruckten) Originalkupfer aus einem Traktat Congreves ab, als hier ein Boot mit nur einem Mast gezeigt wird, an dem die Abschußrampe befestigt ist. Congreves Abbildung aber zeigt noch einen zweiten, hinteren Mast, und das nicht ohne Grund: an diesem Mast befand sich ein angefeuchtetes Segel, hinter das sich die Mannschaft beim Abfeuern der Rakete zum Schutz vor den heißen Gasen zurückziehen sollte. Zwar hielt Congreve seine Raketen für derart unbedenklich, daß er in erwähntem Traktat auf diese krude Sicherheitsmaßnahme verzichten zu können glaubte, man muß sich allerdings fragen, ob der moderne Illustrator, Brian Delf, die Bedeutung des Segels auf der Originalabbildung begriffen hat.
Neben den Drehbassen, für die es eine Farbtafel und interessante Fotos von Orignalstücken gibt, hielt Henry es für sinnvoll, auch Handfeuerwaffen in den Band aufzunehmen. Ein knapper Absatz und eine Farbtafel widmen sich diesen, aber man hätte gut darauf verzichten können und sie besser in den entsprechenden Bänden über das maritime Personal untergebracht.
Die Abschnitte über die französische und spanische Marine sind äußerst knapp. Während in ersterem Fall immerhin noch Herstellungsorte, Lafetten, Munition sowie Drill und Organization genannt werden, ist der Abschnitt über die spanische Artillerie derart kurz, daß letztlich gerade einmal die hauptsächlichen Kaliber, Schiffszahlen und Besonderheiten der Lafetten erwähnt werden.
Die farbigen perspektivischen Zeichnungen einer britischen (32-Pfünder) und einer französischen (36-Pfünder) Kanone samt Besatzung sind sehr anschaulich, jedoch gibt es es kleinere Ungenauigkeiten ("Ringbolzen" und "Augbolzen" verwechselt, beim französischen Geschütz fehlen die Rückholtaljen). Die Zeichnung eines spanischen Geschützes fällt dadurch auf, daß die Lafette keinerlei Haken oder Augbolzen für irgendeine Form von Geschütztakelung zeigt. Zwar mag es sein, daß es spanischen Lafetten an "some the refinement of the British designs" mangelte, wie der Autor sagt, aber die totale Abwesenheit von Vorrichtungen, die zum Bewegen und Verzurren eines Schiffsgeschützes unerläßlich sind, ist absurd. In der Zeichnung fehlen mehr als "stool bed and breech support". Ironischerweise wird ausgerechnet unter diesem Bild auf der Rückseite des Bändchens für "unrivalled detail" der Zeichnungen geworben. Die übrige Auswahl an zeitgenössischen Plänen und Fotos von Orignalstücken ist gut gelungen.
Insgesamt ist "Napoleonic Naval Armaments" ein durchaus empfehlenswertes Heft, wenn man den Preis der ernsthafteren Fachliteratur scheut, bzw. wenn diese nicht erhältlich ist. Als einschlägig zu nennen wäre da zuerst Brian Laverys "The Arming and Fitting of English Ships of War, 1600-1815", das eigenartigerweise in Henrys Bibliographie nicht genannt wird. Ein sehr gutes, reich illustriertes Kapitel von 18 großformatigen Seiten über Schiffsartillerie im Zeitraum 1650 - 1840 befindet sich im verhältnismäßig preiswerten Band von Robert Gardiner (Hrsg), "The Line of Battle. The Sailing Warship 1650-1840".
Während Einleitung und Konklusion im vorliegenden Band wegen ihrer Allgemeinheit nicht viel hergeben, zeigt sich Chris Henrys Kenntnis in den Details. Der Autor benutzt interessante Quellen wie William Rivers'(Gunner der Victory) Notizen und bringt viele nützliche Tabellen und Abbildungen. Besonders die Fotos von Ausrüstungsteilen wie z.B. einer Zündlochabdeckung, eines Steinschlosses, Munition, diverser Geschützrohre und Drehbassen sowie zeitgenössische Pläne sind als positiv zu benennen.
Die Strukturierung des Bandes ist unausgegoren - während sich nun z.B. zwischen verschiedenen Abschnitten über Geschützmaterial solche über Disziplin, Ausrüstung und Taktik finden, hätte man zunächst das Waffenmaterial komplett und danach die anderen Aspekte abhandeln sollen. Auch die vertauschten Abbildungen scheinen darauf hinzudeuten, daß dieser Band mit nicht mit der angemessenen Sorgfalt produziert wurde. So zeigt z.B. ein auf S. 41 reproduziertes Gemälde die spanische Santisima Trinidad gar nicht als Vierdecker, wie der Bildtext nahelegt, sondern noch vor dem entsprechenden Umbau; zudem war sie keineswegs "the largest sailing ship of her time". Wünschenswert wäre neben einer zufriedenstellenderen Darstellung der Schiffsmörser vor allem eine schematische Zeichnung der Geschützaufstellung und der Lage der Pulvermagazine auf einem Schiff gewesen, aber vielleicht gehen die Autoren davon aus, daß der Leser dafür auf den Band über das "British Napoleonic Ship-of-the-Line" zurückgreifen sollte.