1809 - Walcheren
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- Kategorie: Napoleonische Kriege 1804 -1812
- Veröffentlicht: Mittwoch, 08. September 2010 10:47
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Die Expedition nach der Schelde bestand aus einer Armee von vierzigtausend Mann, unter den befehlen von einer mächtigen Flotte, unter dem Admiral Sir Ricard Strachan, und hatte die Wegnahme oder Vernichtung der französischen sowohl auf den Werften zu Antwerpen und Vliessingen [Vlissingen/Flushing] im Bau begriffenen als auf der Schelde liegenden Schiffe zum Zweck; ferner beabsichtigte sie die Zerstörung der Arsenale und Schiffswerften zu Antwerpen, Vliessingen und Terneuse, die Eroberung der Insel Walcheren, und die Unschiffbarmachung der Schelde für Kriegsschiffe. Im Fall diese Zwecke nicht sämmtlich zu erreichen sein würden, sollte man deren doch so viele zu erlangen suchen, wie möglich; dann sollte die Armee mit Zurücklassung einer zur Behauptung der Insel Walcheren hinreichenden Anzahl Truppen wieder eingeschifft werden.
Der General-Lieutenant Sir Eyre Coote (1760-1823) wurde zum zweiten Befehlshaber ernannt. Der General Sir John Hope befehligte die Reserve, und die Reuterei der Armee stand unter den Befehlen des General-Major von Linsingen der königlich deutschen Legion.
Die Expedition segelte am 28sten, 29sten und 30sten von den Dünen (Downs) in drei auf einander folgenden Divisionen ab, und am 31sten August hatte das Ganze die Schelde in Sicherheit erreicht. Zwei Schwadronen des zweiten deutschen Husaren-Regiments, unter dem Major von Müller und dem Rittmeister Clamor von dem Bussche, waren der ersten Division zugetheilt, welche, von Sir John Hope angeführt, Befehl hatte, auf Süd-Beveland zu landen. Die zweite Division unter Sir Eyre Coote, welche vorzüglich zu der Eroberung von Walcheren bestimmt war, sollte aufder nördlichen Seite der Insel landen, während die dritte Division unter Lord Roßlyn, bei welcher sich der übrige Theil der Husaren der Legion befand, die Operation der zwei ersten Divisionen abwarten sollte.
Am 30sten des Nachmittags, nachdem die Flotte die schwierige Passage des Veer-Gat [Veerse Gat], welche bis dahin für große Schiffe unzugänglich gehalten wurde, bewirkt hatte, landete Sir Eyre Coote mit sechs Brigaden nebst einiger leichten Artillerie und einer kleinen Anzahl Scharfschützen an dem Vree-Sand [Breezand], ungefähr eine englische Meile westlich von dem Fort Ter Haak, ohne Widerstand zu begegnen. Das Fort wurde von dem Feinde der Annäherung der Briten verlassen, und der holländische General Osten, welcher in diesem Theile der Insel den Oberbefehl führte, zog seine Truppen nach Vliessingen, der wichtigsten Festung der Insel, zurück. Zur gleichen Zeit ging der holländische General Bruce mit ungefähr zweitausend Mann hinüber nach Süd-Beveland.
Nachdem das Fort von dem Feinde verlassen war, wurde die Ausschiffung der Truppen ohne weiteren Widerstand vollzogen, und ehe noch die Nacht eintrat, befand sich die ganze zweite Division bereits am Lande.
Sir Eyre Coote nahm sogleich eine Stellung an den Dünen und schickte de Division des General Frazer vor, am Teer-Veer und Fort Rammekens einzuschließen.
Ter-Veer wurde aufgefordert, allein da der Gouverneur die Übergabe verweigerte, so wurden sogleich Anstalten zu dessen Beschießung getroffen. Während dessen kamen die Canonenbote und Bombenschiffe unter Sir Home Popham [Sir Home Riggs Popham 1762-1812] vor der Stadt in dem Veer-Gat an, und mit dem nächsten Morgen nahm das Borbardement seinen Anfang.
Die Garnison empfing den Angriff mit Muth, und erwiederte das Feuer der Schiffe mit vieler Lebhaftigkeit. Allein die Wirkung des britischen Geschützes wurde bald sichtbar. Häuser stürzten zusammen; Mauersteine, Kalk und Bauholz wurden über die Köpfe der belagernden Armee auf die andere Seite der Stadt gesprengt und die ganzen Stücke der zertrümmerten Schornsteine in die umliegende Gegend geschleudert. Der Schutt und die Ruinen füllten endlich jeden Raum an, und da die Garnison ihre Canonen nicht länger bedienen konnte, so war vorauszusehen, dass die Stadt sich nicht lange mehr halten würde. Die Nacht brach endlich an, und die britischen Befehlshaber, von Gefühlen der Menschlichkeit bewegt, ließen dem vernichtenden Feuer Einhalt thun. Allein der Feind, welcher diese Nachsicht als eine Verachtung seines Muthes zu betrachten schien, begann, nachdem er den Schutt von einigen seiner Geschütze hinweg geräumt hatte, das Feuer von neuen. Auf diese Weise wurde das Bombardement den größten Theil der Nacht fortgesetzt, obgleich gemäßigt durch die Finsternis und den Regen. Für die Stadt war dieser Widerstand indeß verderblich, denn mit dem anbrechenden Morgen bot dieselbe nur noch den traurigen Anblick eines rauchenden Schutthaufens dar, durch welchen überall die Flammen, einen Ausweg suchend, hervor brachen.
Die Garnison erklärte sich nun bereit zu capitulieren, und die britischen Befehlshaber nahmen das Anerbieten an. Den braven Vertheidigern wurde die Vergünstigung, mit allen Kriegsehren auszumarschiren. Die Zahl derselben belief sich auf nicht mehr als etwa vierhundert Mann, aus vier Compagnien Infanterie und einer Compagnie Artillerie bestehend, und commandirt von dem Oberstlieutenant Bogart, dessen muthige Vertheidigung in den Reihen der belagernden Armee die gebührende Bewunder fand. Die Briten zählten ungefähr achtzig Todte an Officieren und Soldaten, und die doppelte Anzahl an Verwundeten.
Sir John Hope landete am 1sten Augustin in der Nähe des Ter-Goes in Süd-Beveland, und fand keinen Widerstand. Der feindliche General Bruce zog seine Truppen nach Bergen-op-Zoom zurück. Das Fort Baß wurde am Abend des zweiten verlassen, und so gerieht die ganze Insel von Süd-Beveland in den ruhigen Desitz der Briten. Die feindlichen Schiffe aber zogen sich jetzt höher die Schelde hinauf hinter Fort Lillo, einige sogar hinter Antwerpen, und folglich gänzlich außer dem Bereich der britischen Flotte zurück.
Nach der Übergabe von Ter-Veer brach Sir Eyre Coote´s Corps nach Middelburg auf. Dieser Stadt, obgleich ohne Geschütz oder Garnison, wurde dennoch die Ehre einer Capitulation zugestanden, und die Truppen folgten der zurückweichenden Armee nach Vliessingen, woselbst der Feind Stand zu halten beschlossen hatte.
Zwei britische Regimenter, das vierzehnte und ein und siebenzigste, verfolgten den Feind bis an die Thore der Festung, und versuchten vermittelst eines sofortigen Anlaufs mit ihm zu gleicher Zeit einzudringen. Dieser Versuch veranlasste große Bestürzung in der Festung; allein der britische Befehlshaber hielt es für gerathen, die Truppen zurückzurufen, und seine Operationen in der regelmäßigen Form einer Belagerung zu beginnen.
Die Vertheidigungswerke Vliessingen`s auf der Landseite waren nicht von Bedeutung. Die Stadt war nur von einer einfachen Reihe Bastionen umgeben, deren Flanken senkrecht auf den Gurtinen standen. Diese Werke waren bloß von der Erde errichtet, und ihre Beschaffenheit in vielen Beziehungen sehr mangelhaft. Der Wall war niedrig und wurde von dem seedeiche beherrscht. Ausgenommen an den Flanken der Position befand sich derselbe in sehr baufälligem Zustande, und besaß weder Traversen noch bombenfeste Casematten für die Garnison. In Front waren die Werke mit einem guten Graben umgeben, obgleich ohne Glacis. Die Bastionen auf den Flanken wo der Seedeich an die Werke stieß waren von Mauersteinen erbaut, allein in einem sehr schwachen und vernachlässigten Zustande, und konnten schon aus einer Entfernung von tausend Schritt in Bresche gelegt werde. Vor den Flanken an dem Seedeiche hatten die Franzosen eine Art von Außenwerk mit niedriger Brustwehr erbaut, in welchem nur eine sehr geringe Anzahl Canonen aufgeführt waren. Auch hatten sie vor jedem Thore, welches nach der Landseite führte, ein Ravelin angelegt. Auf der ganzen Front nach der Landseite zu befanden sich ungefähr funfzig Stück Geschütz, wovon nur vierzehn Stück aus vier und zwanzig Pfündern, die übrigen aber größtentheils aus Feldstücken und Haubitzen bestanden. Die Wälle waren ohne Traversen, und da in den Brustwehren keine Schießscharten eingeschnitten waren, so feuerte beinahe das sämtliche Geschütz über Bank.
An der Seeseite war die Stadt von einer aus gebrannten Steinen erbauten Mauer umgeben, hinter welcher sich ein Wall befand, der an einigen Stellen, namentlich gegen den Deuerloo-Canal zu un dem Ankerplatz der Stadt gegenüber mit sehr starken Canonen-und-Wurf-Geschütz-Batterien versehen war. Eine Batterie, der Dyleshoot genannt, beschützte den Eingang in den Hafen auf der westlichen Seite, während das Fort Rammekens, den Kanal beherrschend, welcher die Insel Walcheren von Süd-Beveland trennt, den Zugang auf der östlichen Seite vertheidigte. Die Anlage dieser Werke schien zu beweisen, dass man von einer regelmäßigen Belagerung besorgt gewesen war.
Die Franzosen hatten beabsichtigt, ihrem Vertheidigungssysteme eine noch weitere Ausdehnung zu geben, und zum Schutze der nach der Festung führenden Deiche starke casemattirte Werke auf beiden Flanken anzulegen gedachten. Der Anfang hierzu war bereits durch Hohlbaue, ungefähr zweitausend Schritt vor der Fronte gelegen, gemacht. Das sämmtliche zur Vertheidigung der Stadt aufgestellten Geschütz bestand aus einhundert und sieben Feuerschlünden, welche indeß mit Ausnahme der bereits erwähnten au der Landseite befindlichen vier und zwanzig Pfünder, größtentheils nur von geringem Caliber waren. Da jedoch durch Öffnung der Schleusen und Durchstechung der Dämme die Umgebung unter Wasser gesetzt werden konnte, so sah sich die Garnison im Besitz der Mittel, einen gewaltsamen Angriff oder einem Sturm der belagernden Armee gänzlich zu vereiteln, wenn ihnen nur soviel Zeit übrig gelassen wurde, der Überschwemmung ihre vollständige Ausdehnung zu geben, wozu ungefähr ein Zeitraum von zehn Tagen erfordert wurde.
Ehe man die Landgräben vor der Festung eröffnen konnte, war es nöthig, sich der Batterien zu bemächtigen, welche, wie schon erwähnt ist, die südlichen Küsten der Insel mit ihren östlichen und westlichen Flanken beherrschten, und diese wurden den Belagerern nicht ohne Widerstand überlassen. Der General-Major Graham hatte einen harten Kampf mit dem Feinde zu stehen, als er am Morgen des 1sten Besitz von der Dyleshook-Batterie, nebst zwei andern kleineren Batterien nahm. Zu gleicher Zeit griff die Brigade des General Houston die Truppen, welche auf der Straße nach Middelburg aufgestellt waren, an, und zwang dieselben mit dem Verlust von vier Canonen und mehren Getödteten und Verwundeten zum Rückzuge. Die Division des Lord Paget nahm eine Stellung bei West-Coubourg, und diejenige des General-Lietenant Fraser, welche Abends nach Ruttem marschirte, detaschirte ein Corps zur Einnahme von Fort Rammekens, um die Einschließung zu vollenden. Rammekens capitulierte am 3ten August mit einer Garnison von einhundert sieben und zwanzig Officieren und Soldaten, wodurch sonach die Fahr durch die West-Schelde eröffnet war. Die Flotte konnte jedoch für den Augenblick aus diesem Ereignis noch keinen Vortheil ziehen, da sie durch widrige Winde von dem Einlaufen in den Canal abgehalten wurde.
Das erste und wichtigste Operationsobjekt Lord Chatham´s war die Einnahme von Vliessingen. Die weiteren Operationspläne des Oberbefehlshabers bestanden angeblich darin: die Landtruppen bei dem Fort Baß in Süd-Beveland zu sammeln, sodann auf das östliche Ufer des östlichen Armes der Schelde überzusetzen, und diesen Arm bis zu seiner Abzweigung von dem Hauptfluß zu cotoyiren, während Sir Richard Strachan zu gleicher Zeit mit der Flotte die Schelde hinabsegeln und den Canal frei machen sollte. Auf diese Weise sollten die vereinigten Streitkräfte zu Lande und zu Wasser bis gegen das Fort Lillo vordringen, woselbst man einen heftigen Widerstand erwartete.
Die Anzahl der feindlichen Truppen auf der Insel Walcheren betrug zu jenem Zeitpunkt ungefähr viertausend Mann, welche vorzüglich aus Preußen, Spaniern, Holländern und Irländern bestanden. Sie besaßen nur eine sehr geringen Anzahl Artilleristen, und waren gänzlich unvorbereitet zu der Vertheidigung einer Festung wie Vliessingen.
Die Belagerungs-Armee unter Sir Eyre Coote betrug etwas über fünfzehntausend Mann. Ein Bataillon war in Ter- Veer, ein anderes als Besatzung in Middelburg zurückgeblieben, und dreißigtausend Mann ungefähr befanden sich unter Sir John Hope in Beveland.
Die nothwendigen Vorbereitungen zur Belagerung de Festung von der Landseite schritten indeß ununterbrochen fort. Das zu diesem Zwecke erforderliche Geschütz so wie die Munition nebst den übrigen Kriegsbedürfnissen wurden herbeigeschafft, und die Erbauung der Batterien nahm ihren Anfang. Die Annäherung der Flotte auf der Seeseite des Festung hatte ungünstiger Winde wegen bis dahin noch immer Verzögerung erlitten, und da auf diese Weise der Garnison die Verbindung mit Cadzand, welches von den Briten nicht besetzt worden war, fortwährend offen stand, so machte sich der Feind diese Vernachlässigung zu Nutze, und setzte am 4ten August und den beiden nächst darauf folgenden Tagen gegen dreitausend Mann von Cadzand nach Vliessingen über. Diese Verstärkung setzte die Garnison in den Stand, den Operationen der Belagerer einen thätigen und kühnen Widerstand entgegenzusetzen, und nöthigte die Briten die Belagerungs-Armee zu verstärken. Die Division des General Grosvenor und General Alten’s Brigade der Legion erhielten daher Befehl zur Ausschiffung. Die deutsche Brigade landete am 5ten des Nachmittags, marschirte nach Middelburg, und traf den folgenden Tag bei den Vorposten der Belagerungs-Armee zu Ost-Coubourg ein.
Am 7ten , unefähr gegen vier Uhr des Nachmittags, machten zweitausend Mann der Garnison von Vliessingen unter den Befehlen des General Osten auf zwei verschiedenen Straßen einen Ausfall, in der Absicht die vorgeschobene, ungefähr aus sechshundert Mann bestehende und dem rechten Flügel der Position aufgestellte Truppenabtheilung der Graham’schen Brigade aus ihrer Stellung zu vertreiben. Die feindlichen Truppen, von ihren Officieren mit Tapferkeit angeführt, drangen mit großer Entschlossenheit vor und griffen mit Ungestüm an; allein ihre Anstrengungen scheiterten an dem besonnen Muthe der Belagerer. Nach einem zweistündigen Kampfe wurden sie mit Verlust geworfen und vollständig auseinander gesprengt. Ihre officiere bemühten sich vergebens die Fliehenden wieder zu sammeln. Der heißeste Antheil des Kampfes fiel auf die englischen Regimenter, allein ein Detaschement des ersten deutschen leichten Bataillons kam ebenfalls in`s Gefecht und zeichnete sich bei dieser Gelegenheit so vorteilhaft aus, dass es in der General-Ordre des nächsten Tages von Seiten des britischen Befehlshabers einer besonderen Belobung gewürdigt wurde. Vier Soldaten des Bataillons wurden getödtedm der Lieutenant du Fay und der Fähnrich Hedemann nebst zwölf Mann verwundet, die beiden Officiere schwer. Der französische Obers du Bois, mehre Officiere und eine bedeutende Anzahl Soldaten der angreifenden Truppen wurden zu Gefangenen gemacht.
Die Laufgräben waren am 9ten vollendet und zwei Batterien von sechs Canonen zur Eröffnung des Feuerst bereit – allein die Beschießung ward bis zur Ankunft der Flotte, welche noch immer durch ungünstige Winde festgehalten wurde, verschoben. An diesem Tag landeten die Divisionen des Lord Roßlyn und de Marquis de Huntly in Süd-Beveland. Auf der nordöstlichen Seite der Festung wurden in der Entfernung von dreihundert Schritt die Erbauung einer starken Wurfbatterie begonnen und da von Seiten des Feindes kein Versuch zur Unterbrechung dieser Arbeit gemacht wurde, so glaubte man sich der Vermuthung berechtigt, dass die Garnison instruirt sei, sich keinen Wagnissen auszusetzen, sondern nur den Platz so lange wie möglich zu behaupten um den französischen Marschällen Zeit zu geben, ihre Armeen in Antwerpen zu versammeln.
Das schwere Geschütz wurde in Ter-Veer ausgeschifft und von den britischen Matrosen durch das Innere der Insel nach Vliessingen gezogen. Gegen fünfhundert Mann dieser Seeleute waren zu einer Marine-Brigade vereinigt worden, welche unter den Befehlen des Capitain Richardson von der Flotte der Belagerungs-Armee sehr wesentliche Dienste leistete. Die Schwierigkeiten und der Aufwand an Zeit welche der Transport dieses Geschützes durch Menschen-Hände auf eine Entfernung von acht englischen Meilen veranlasste, hielten indeß die Fortschritte der Belagerung sehr auf und während dessen erhielt die Garnison Verstärkung von der gegenüberliegenden Insel Cadzand. Am 9ten rückten die Canonenbote jedoch in eine Stellung ein welche jede ferne Verbindung der Garnison mit dieser Küste verhinderte, und da m 11ten auch eine günstige Veränderung des Windes eintrat, so segelten zehn britische Fregatten unter Lord William Stuart kühn zwischen den Batterien von Cadzand und Vliessingen durch und gingen, nachdem sie beinahe zwei Stunden dem feindlichen Feuer ausgesetzt gewesen waren, auf der Seeseite der Festung vor Anker.
Inzwischen ließ der General Monnet die Schleusen eröffnen und den Deich zur Rechten der Stadt durchstechen. Das Wasser begann in Folge dessen zwar zu fließen, allein da die Fluth nicht sehr hoch stieg und der Wind See-einwärts wehte, so entsprach die Wirkung nicht den gehegten Erwartungen und obgleich die Belagerer sich dadruch sehr belästigt sahen, so erlitten doch ihre Arbeiten keine Unterbrechung. Ein großer Theil der britischen Flottille unter Sir Richard Keats und Sir Home Popham erreichte Baß am 11ten und versicherte sich der Schiffahrt des Flusses bis Lillo wohin sich die feindliche Flotte mit dem Verluste von sechs Canonenboten, welche auf den Grund liefen, zurückzog.
Die Belagerungs-Arme hatte viele Unbequemlichkeiten zu erdulden. Die Leute erbauten sich zwar Hütten, allein da dieselben nicht vollkommen gegen den Regen schützten, so gewährten sie nur wenig Nutzen. Außerdem war ausdrücklichen Befehlen gemäß, nur ein bestimmtes Quantum von Gepäch zu landen gestattet worden und so befand sich ein großer Theil der Truppen ohne Decken und die ganze Armee ohne die zum Wechseln nöthige Wäsche. Der Mangel an diesen nothwendigen Bedürfnissen wurde aber für die Truppen bei ihrer Ausstellung in unmittelbarer Nähe der ungesundesten Stadt auf der ganzen Insel noch drückender fühlbar, - denn selbst die Einwohner von Middelburg, welches nur fünf englische Meilen entfernt ist, sprechen von Vliessingen mit Entsetzen und es ist auf der Insel ein Spruchwort: „Daß nur ein Matrose in Vliessingen leben kann.“
Die Truppen standen jetzt bereits bis in die Knie im Wasser und die Überschwemmung wuchs mit solcher Schnelle an, dass kaum ein Zoll breit trockenes Land mehr zu erblicken war. Auch das süße Wasser der Insel war verdorben und da zu gleicher Zeit anhalternder Regen eintrat, so begann sehr bald die Gesundheit der Truppen zu leiden. Schon mussten die Schildwachen häufig in Folge plötzlichen Unwohlseins von ihrem Posten abgelöst, und eine große Anzahl Leute vom Durchfall und Wechselfieber ergriffen von den Paraden entfernt werden. Seit der letzten Woche hatten die Witterung außerordentliche Wechsel dargeboten. Des morgens fielen schwere Regengüsse, während in den Mittagsstunden eine außerordentliche Hitze herrschte, welche eine heftige Ausdünstung veranlasste. Die Nächte hingegen waren empflindlich kalt. Die nachtheiligeste Einwirkung auf die Gesundheit hatte jedoch ihren Grund in den kalten und heißen Dünsten, womit die Atmospähre angefüllt war, indem die ersteren Rheumatismus erzeugten, die letzteren aber wahrhaft pestilenzialischer Natur waren. Die Todesfälle wurden daher von Stunde zu Stunde immer häufiger. Die Truppen standen stundenlang bis an die Knie im Wasser und der ganze Zustand der Dinge nahm eine höchst düstere und traurige Gestalt an.
Die Batterien waren nicht eher als am Abend des 12ten bereit und gegen Mittag des folgenden Tages hatten die Schiffe ihre Stellung eingenommen, so dass mit diesem Zeitpunkt alle Vorbereitungen zur Beschießung vollendet waren. Ehe das Feuer seinen Anfang nahm, wurde ei Parlamentair an den General Monnet gesendet, um ihm von Seiten des britischen Oberbefehlshabers den Wunsch zu bezeugen, die Frauen und Kinder wegen der zu erwartenden Heftigkeit des Bombardements unter Zusicherung eines freien Abzuges durch die britischen Linien aus der Festung zu entfernen. Allein der General Monnet sandte, einen hohen Ton annehmend, und ohne die Gebote der Menschlichkeit einer Rücksicht zu würdigen, die Antwort zurück dass er das Anerbieten von sich weisen müsse, in dem sich vollkommen stark fühlte, die Frauen und Kinder selbst zu vertheidigen: eine Anmaßung, die er jedoch, wie die That auswies, keinesweges im Stande war zu rechtfertigen.
Sonach wurde der Befehl zur Eröffnung des Bombardements gegeben , und am 13ten August gegen zwei Uhr des Sonntags Nachmittags eröffneten sowohl die Schiffe als die Batterien ihr Feuer auf die Stadt. Die Wirkung war furchtbar. Die ganze Insel erbebte, als wenn sie von einem Erdbeben erschüttert würde, und auf jeden Canonen-Donner erfolgte ein Gekrach, welches laut die vernichtende Wirkung des Schützes verkündete. Da die Batterien alle der Festung sehr nahe lagen, so wirkte das Geschütz mit voller Gewalt, und es schien in der That als ob die ganze Stadt aus ihren Grundfesten gerissen würde. Anfänglich wurde das Feuer mit vieler Lebhaftigkeit erwiedert, und man sah mehrere Bürger der Stadt das Geschütz auf den Wällen mit vieler Kaltblütigkeit richten, allein bald wurde dasselbe zu heiß für diese friedliebenden Bürger – und selbst für die Garnison. Die Widerstand leistenden Hafenbatterien wurden zerstört, die Wälle stürzten in großen Fragmenten zusammen, die Kirchen geriethen in Flammen, die Häuser stürzten ein, die Stadt sank allmählich in einen Haufen Ruinen zusammen,- und der ganze Gesichtskreis war in einen solchen Rauch eingehüllt, dass das britische Geschütz nur auf das Geradewohl gerichtet werden konnte.
Denselben Abend noch erstürmte ein Detaschement, welches aus dem vierzehnten Regimente und einem Theile der leichten Infanterie-Brigade der Legion, unter dem Theile der leichten Infanterie-Brigade der Legion, unter dem Oberstlieutenant Nicolls bestand, mit ausgezeichneter Bravour eine der Graham`schen Position gegenüber liegende Schanze, setzte sich in der Entfernung des Gewehrschusses vor der Stadt fest, nahm eine Canone und machte dreißig Gefangene.
Das zerstörende Feuer wurde den ganzen Sonntags Nachmittag und die folgende Nacht hindurch fortgesetzt, und obgleich die Stadt wiederholt in Brand gerieht, so wurde dasselbe doch von dem Feinde mit Muth und Lebhaftigkeit erwiedert. Allmählich begann das feindliche Feuer jedoch schwächer zu werden. Anstatt ganzer Lagen vernahm man nur einzelne Schüsse, und anstatt einer geregelten Folge dieser Schüsse ein unordentliches willkührliches Abfeuern der Geschütze. Gegen zehn Uhr des nächsten Morgens lichtete Sir Richard Strachan die Anker, und feuerte, indem er unmittelbar unter der Vertheidigungslinie auf der Seeseite vorbeisegelte, mehre Stunden lang wiederholte Lagen auf die Stadt, wodurch dieselbe in großen Massen zusammenstürzte. Lord Gardner folgte nach, und nun gingen beide Schiffe dicht unter den Wällen vor Anker. Die Garnison hielt dessen ungeachtet immer noch standhaft bei ihrem Geschütze aus; allein die Ruinen fielen so sicht um sie herum, dass selbst das Geschütz davon verschüttet wurde, und sonach musste das Feuer der braven Vertheidiger endlich nothwendig schweigen. Trotz dem wurde noch keine Neigung zu einer Übergabe bemerkt, und selbst als sie keine Canone mehr abfeuern konnten, ließen sie hartnäckig ihre Flagge noch wehen.
Dieses mörderische Werk der Vernichtung währte ungefähr bis zum 14ten gegen fünf Uhr des Nachmittags. Um diese Zeit begann das Feuer der Feinde gänzlich zu schweigen, und Folge dessen wurden auch von Seiten der Briten der Canonade Einhalt gethan. Jetzt wurde sogleich eine Aufforderung zur Übergabe an den General Monnet gesendet, welcher erwiederte, dass er seinen Entschluß kund thun werde, sobald er sich mit einem Kriegsrath berathen hätte. Zu diesem Zwecke wurde ihm eine Stunde Aufschub bewilligt, allein nachdem drei Stunden in der vergeblichen Erwartung einer Antwort verflossen waren, richteten die Schiffe und Batterien von neuem ihr Feuer auf die unglückliche Stadt. Das Bombardement war jetzt noch heftiger und furchtbarer als es vorher gewesen war. Congreve`sche Raketen leuchteten mit schrecklicher Pracht in der Luft und Vliessingen stand bald wieder in Flammen. Ungezügelt wüthete der Brand während der finstern Nacht, der Donner des Geschützes dröhnte furchtbar und die Wälle, Schornsteine und Dächer stürzten unter dem zerstörenden Hagel der Kugeln zusammen. Beinahe das Innere jedes Hauses wurde blosgelegt und wenn der Donner des Geschützes einen Augenblick schwieg, vernahm man das Geheul der Hunde und das Geschrei der geängstigten Frauen in der Festung. Eulen und Fledermäuse flogen aufgeschreckt um die Flammen, und die ganze Scene bot ein erhabendes aber schauervolles Gemälde einer erfolgreichen Belagerung dar.
Da die Belagerer bemerkt hatten dass eine ihrer Batterien von drei Vierundzwanzig-Pfündern auf dem linken Flügel so weit von der Festung entfernt war, dass das Feuer derselben nicht nur auf die Festungswerke wirkungslos blieb, sondern dass dieselbe selbst ein feindliche, ungefähr fünfhundersechzig Schritt vor den Festungswerken auf dem Deiche errichtete Batterie von zwei Canonen nicht zum Schweigen bringen konnte, so wurde Befehl gegeben, den Deich bis auf tausend Schritt vorwärts der britischen Batterien in Besitzt und die feindliche vorliegende Batterie mit Sturm zu nehmen; im Fall aber dieselbe nicht zu behaupten und in Vertheidigungsstand zu setzen sein würde, sollten wenigstens die Canonen derselben vernagelt werden. Die Ausführung dieser Befehle wurde dem Oberstlieutenant Pack übertragen und als die Mitternacht herannahte, setzte sich dieser brave Officier mit Detaschements des sechs und dreißigsten und ein und siebenziegsten Regiments und der beiden leichten Bataillone der Legion zur diesem Zwecke in Bewegung.
Da der Zugang zu der Batterie auf dem niedrig gelegenen terrain durch tiefe Gräben abgeschnitten war, so sahen sich die Truppen genöthigt, auf dem schmalen Deiche selbst vorzudringen. Die Gefahr dieses Annäherungsweges wurde aber noch dadurch erhöht, da der zum Zwecke der Überschwemmung gemachte Deich-Durchstich sich gerade vor der zu erstürmenden Batterie befand. Die Nacht war finster und stürmisch, das Belagerungsgeschütz wüthete immer noch fort und Raketen zischten durch die Luft als das Detaschement aufbrach. In Folge der außerordentlichen Dunkelheit sahen die Truppen nichts als die Mündungen der Canonen gegen welche sie marschirten, wenn das Feuer der brennenden Stadt oder die auffliegenden Raketen ihr Licht auf diesen Punkt warfen. Trotz dieser entmuthigenden Umstände drangen sie kühn vorwärts und erstürmten ungeachtet der überwiegenden Anzahl der Feinde die Batterie mit dem Bajonette. Vierzig Mann der feindlichen Truppen wurden zu Gefangenen gemacht und eine große Anzahl derselben getödtet und verwundet. Der Lieutenant Sprecher nebst drei Mann des zweiten leichten Bataillons blieben auf dem Platze und siebenzehn Mann von beiden Bataillonen wurden verwundet. Der ganze Verlust der sämtlichen Detascheents an Getödteten, Verwundeten und Vermissten betrug acht und dreißig Officiere und Soldaten.
Das Bombardement währte bis zum 16tn um zwei Uhr des Morgens; dann trug der General Monnet um einen acht und vierzigstündigen Waffenstillstand an. Nur zwei Stunden wurden ihm bewilligt, die Beschießung der Festung sogleich eingestellt und der Oberst Long vom Generalstabe nebst dem Capitain Cockburn von der Flotte hineingesandt und wegen der Bedingungen zu unterhandeln. In einer Stunde hatten diese Officiere die Unterhandlung beendet und die Briten wurden sofort in den Besitzt der Festung gesetzt. Die Garnison deren Bestand sich ungefähr auf fünftausendachthundert Officiere nd Soldaten belief, ergab sich zu Kriegsgefangenen. Auer der sehr bedeutenden Anzahl Getödteten welche sie zählte, hatte dieselbe schon kurz vor der vollständigen Einschließung der Stadt tauend Mann Verwundete nach Cadzand gesendet, der ganze Verlust der Briten an Getödteten und Verwundeten vom 8ten Augustin bis zur Übergabe von Vliessingen betrug nicht mehr als einhundert sechs und dreißig Officiere und Soldaten. Die Inseln Schouwen und Duiveland capitulierten an demselben Tage ohne Widerstand.
aus Geschichte der koeniglich Deutschen Legion